Dieser Artikel ist eine wörtliche, unverfälschte Transkription des Originalartikels aus dem Jahre 1902.
Aus heutiger Sicht ethisch fragwürdige Ausdrucksweisen und Inhalte, sowie variierende Rechtschreibung sind nicht ausgeschlossen, wurden aber zwecks Authentizität nicht zensiert.
Von den ältesten Zeiten her hat der Mensch die Neigung zum Aberglauben gehabt, und die fortschreitende Kultur hat nur vermocht, sie zu vermindern, nicht aber, sie völlig auszurotten. Weite Kreise stecken auch jetzt noch bei den höchstkultivierten Völkern der Erde tief im wüstesten Aberglauben, und wenn man auch keine Hexen mehr ersäuft oder verbrennt, so treiben doch noch immer Wahrsagerinnen, Kartenlegerinnen, Schatzgräber, Vieh- und Menschenbeschwörer, Geisterseher ihr Wesen; und in neuester Zeit haben sich ihnen die Spiritisten zugesellt und sogar in den Mittelpunkten des modernen Lebens, den großen Städten, eine Anzahl fanatischer Anhänger gefunden.
Ja, man kann sagen, daß der Geister- und Gespensterglaube in unserer Zeit einen neuen Aufschwung genommen hat durch diese sich immer mehr zu einer religiösen Sekte herausbildenden Spiritisten, welche alte Wahnvorstellungen durch modernen Aufputz und pseudowissenschaftliche Experimente auf eine sichere und unantastbare Basis gestellt und als tatsächlich bewiesen zu haben behaupten.
Ihrer Lehre liegt der uralte Glaube zu Grunde, daß sich die Geister der Verstorbenen unter gewissen Umständen den Lebenden kundgeben. Jedermann ist diese Vorstellung aus alten Ammenerzählungen, Gespenstergeschichten, Gedichten, Romanen, Theaterstücken u.f.w. geläufig. Solange ihre irdische Schuld nicht gesühnt, oder ihr brennendes Verlangen nicht gestillt ist, kann die Seele im Grabe keine Ruhe finden und schweift ruhelos um den Ort ihrer Missethat oder ihrer Sehnsucht, spukt daselbst, „geht um“, plagt die Leute, die sie an dem betreffenden Orte antrifft, zeigt sich auch Sonntagskindern oder mystisch besonders Veranlagten.
Diese Vorstellungen, die dann zu den Erzählungen von Haus- und Poltergeistern, Burg- und Klostergespenstern, von Irrlichtern, Feuermännchen und ähnlichen Gebilden einer erhitzten und geängstigten Phantasie geführt haben, sind von den Spiritisten in ein System gebracht worden. In ihren geschlossenen Zirkeln „materialisieren“ sich mit Hilfe sogenannter „Medien“, denen sie den irdischen Stoff entnehmen, die Geister Verstorbener zu sichtbaren und greifbaren Gestalten, machen kindische und ganz wertlose Mitteilungen über das Jenseits, spielen Harmonika oder Guitarre, treiben auch etwelchen ergötzlichen oder unangenehmen Schabernack, führen sich sogar oft genug recht ungebührlich auf – denn es giebt natürlich auch böse und ungezogene Geister – kurz, betragen sich so echt menschlich, daß eine ungewöhnliche Dosis von Einfalt, Voreingenommenheit oder Gläubigkeit dazu gehört, um dergleichen für wahr zu halten.
Die verblüffenden Kniffe und Taschenspielerkunststücke „berühmter Medien“ haben freilich auch eine Zeitlang selbst gebildete und gelehrte Männer zu täuschen vermocht, und die G e i s t e r p h o t o g r a p h i e n waren geeignet, selbst das nachdenkliche Staunen des Skeptikers zu erregen.
In der That, die modernen Gespenster sind gegen ihre Vorgänger in früheren Jahrhunderten in der Kultur so vorgeschritten, daß sie selbst der photographischen Kamera standhalten. Manche, vornehmlich weibliche Geister, lieben es sogar sehr, sich in verschiedenen Stellungen photographieren zu lassen und liefern dadurch nach Überzeugung der Spiritisten den unwiderleglichen Beweis für ihre Existenz, denn – so lautet das gewöhnlich triumphierend vorgebrachte Argument – die photographische Platte kann sich doch nicht täuschen!
Nein, allerdings nicht. Sie giebt ohne Vorurteil oder Aberglauben ganz mechanisch wieder, was die durch das Objektiv einfallenden Lichtstrahlen auf die empfindliche Schicht zeichnen. Aber was man uns vorweist, ist ja nicht die Platte, sondern ein Abdruck derselben, eine Kopie auf Papier. Beim Kopieren wird meist der Betrug begangen, dem die Leichtgläubigen zum Opfer fallen. Wo dies aber infolge strenger Ueberwachung nicht möglich ist, da wird vorher in geeigneter Weise die Platte präpariert.
Diese Geisterphotographien erregten so lange auch bei den Denkenden einiges Aufsehen, bis es gelang, hinter das Geheimnis ihrer Anfertigung zu kommen. Gegenwärtig vermag jeder Photograph nach Belieben die schönsten Geister- und Gespensterphotographien zu erzeugen. Es ist das einfachste Ding von der Welt, eine Spielerei, die häufig auch von nichtspiritistischer Seite betrieben wird, wie die diesem Artikel beigegeben Bilder beweisen.
Es giebt verschiedene Mittel und Wege, Gepensterphotographien zu erhalten, ohne daß man deswegen einen abgeschiedenen Geist zu bemühen brauchte, einem dazu zu sitzen. Das einfachste ist, einen Menschen mit Leintuch oder Mullschleiern – bekanntlich die Kleidungsstücke, die zur unerläßlichen Toilette eines anständigen Geistes gehören – herauszustaffieren und dann eine Aufnahme von ihm zu machen, doch von so kurzer Belichtungsdauer, daß nicht ein scharfes, sondern nur ein schattenhaftes und verschwommenes Bild von ihm auf der Platte erscheint.
Dann geht der „Geist“ schnell fort, und nun wird mit derselben Platte eine zweite Aufnahme der Örtlichkeit, diesmal von normaler Dauer, gemacht. Der Erfolg ist, daß die Umgebung – Zimmer, Halle, Kirche, Gruft, Garten, oder dergleichen – scharf und klar auf dem Bilde sichtbar ist, der „Geist“ dagegen nur wie einen weiße, halb durchsichtige, daher gespenstisch wirkende Gestalt.
Diese einfachste und bequemste Methode ist gewöhnlich nur zum Zwecke des Scherzes anwendbar, da man dabei wenigstens eines, noch häufiger zweier Mitwissenden bedarf. Denn noch wirksamer ist es, wenn nicht nur der Geist allein, sondern auch die Person, der er erscheint, auf dem Bilde zu sehen ist, wie auf der von und reproduzierten Gespensterphotographie: „Die weiße Dame als Unheilverkünderin“. Natürlich kann man auf diese Weise auch jede beliebige Anzahl von Geistern darstellen, aber die Wahrung des Geheimnisses wird dadurch immer schwieriger und zweifelhafter, und zum Betrug kann man sich ihrer kaum bedienen.
Um so zweckmäßiger ist dafür das folgende Verfahren, das auf der Eigentümlichkeit der Trockenplatten beruht, einen empfangenen Eindruck ungemessene Zeit treu zu bewahren. Eine Aufnahme von ganz kurzer Belichtungsdauer wird mit einer Trockenplatte gemacht, und letztere bis zu geeigneter Zeit beiseite gelegt. Man verwendet dann diese Platte zu einer zweiten Aufnhame, wann man will, ohne natürlich zu verraten, daß sie bereits benutzt worden ist. Auf diese Weise lassen sich die schönsten Ueberraschungen erzielen. Zu Beispiel eine alte Dame kommt, sich photographieren zu lassen. Als das Bild fertig ist, erblickt man darauf zu allgemeinen Staunen neben der Dame eine zweite weibliche Person in weißem Mullgewand, in der die Auftraggeberin zu ihrem namenlosen Entsetzen den „Geist“ ihrer verstorbenen Mutter erkennt. Die erste Aufnahme, die das Portät des Geistes liefert, kann natürlich ebensogut nach einer alten Photographie, wie nach einem lebenden Menschen gemacht sein. Oft ist die Aehnlichkeit nur ganz entfernt, aber die Phantasie abergläubischer Leute ist unangenehm stark und ergänzt freiwillig, was etwas zur vollen Ueberzeugung fehlen sollte.
Eine dritte Art, Gespenstererscheinungen photographisch zu erzeugen, ist diese. Man schneidet aus Kartonpapier das Gespenst in der gewünschten Form und Größe aus, bestreicht es mit einer phosphoreszierenden Mischung und legt es entweder vor oder nach der Aufnahme direkt auf die lichtempfindliche Platte. Diese Methode empfiehlt sich besonders dann, wenn man die Gespenstererscheinung möglichst unbestimmt zu haben wünscht. Geisterphotographien, auf denen das Gespenst sich nur als ein weißer, menschlich gestalteter Lichtflecken mit verwischten Umrissen darstellt, sind meist auf diese Weise angefertigt.
Schöne Gespensterphotographien erhält man mit Hilfe von zwei Platten, von denen die eine nur den „Geist“, die andere die Oertlichkeit und erforderlichen Falls auch lebende Personen enhält. Beide Platten werden nacheinander auf dem selben Papier kopiert. Auf diese Weise sind die von uns wiedergegebenen Gespensterphotographien „Tanzende Geister aus der Rokokozeit“, „Das gespenst des Schlosses“, „Das Klostergespenst I und II“ und „Geisterbesuch im Boudoix“ angefertigt.
Will man ganz gruselige Bilder erzielen, die auf den Unkundigen und Abergläubischen ihren Eindruck selten verfehlen, wie zum Beispiel „Der Totenkopf in der verfallenen Abtei“ oder „Das Gerippe in der Kirchenpforte“, so muß man die gespenstererscheinungen mit chinesischem Weiß auf schwarzes Papier malen und sie dann photographieren. Dieses Negativ liefert die erste Platte. Die zweite Platte stellt die Oertlichkeit, die verfallenen Abtei, die Kirchenpforte, die Gruft oder dergleichen schaurige Oertlichkeiten, dar. Beide Platten werden übereinander auf demselben Papier kopiert und erzeugen den erwünschten Effekt.
Sehr merkwürdige Geisterphotographien kann man auch erhalten, indem man über die Rückseite der photographischen Platte, mit der man vorher eine Aufnahme gemacht hat, ein Stück Pauspapier legt und mit dem Pinsel die Geisterscheinung, die man hervorbringen will, darauf malt. Man hat dabei zu beobachten, daß die dunklen Stellen auf der Kopie hell, die hellen dunkel erscheinen. Legt man nun die Platte in den Kopierrahmen, so tritt aus der Kopie das eigentliche, auf der Platte befindliche Bild scharf hervor, das hintere auf dem Glase angebrachte Geisterbild aber gibt nur einen schwachen schattenhaften Abdruck, wodurch der Eindruck erzeugt wird, daß man es mit einem leichten, ätherischen, überirdischen Wesen zu thun habe.
Daß endlich die Röntgenstrahlen geegnet sind, auch zur Erzeugung von Geister- und Gespensterphotographien zu dienen, ist klar, und so fehlt es dem Photographen heutzutage wahrlich nicht an Mitteln, ein Wesen aus der vierten Dimension aller Welt zur deutlichen Anschauung zu bringen. Selbstbdem Liebhaberphotographen wird es unter Behrzigung der hier erteilten Winke ein leichtes sein, Gespensterphotographien herzustellen, bei deren Betrachten sich den jüngeren und abergläubischeren seiner weiblichen Verwandten oder Hausgenossen das Haar auf dem Haupte sträubt.
Selbstverständlich ist mit den hier angegebeneneinfachen Methoden der Geisterphotographie der Umfang der zu Gebote stehenden Hilfsmittel keineswegs erschöpft. Es giebt offenbar noch viel feinereund schwierigere Arten, die von den Erfindern geheim gehalten werden, denn wo unter Beobachtung gearbeitet werden muß und eine absichtliche Täuschung auszuführen ist, können die oben erwähnten Verfahren fast durchweg nicht in Anwendung kommen. Wenn man aber auch in manchen Fällen noch nicht hinter den Betrug gekommen ist, so beweist dies doch keineswegs, daß ein solcher nicht vorliegt, ebensowenig wie die staunenswerten Kunststücke der Solomagier, Jongleure, in Varietétheatern auftretender „Fakire“, „Derwische“ und ähnlicher Zauberkünstler, deren Kniffe das Publikum ebenfalls nicht kennt, beweisen, daß dabei übernatürliche Kräfte im Spiel sind.
Noch stets hat sich über kurz oder lang unter der Forschung vorurteilsfreier Männer jeder Spuk, jede Geisterscheinung, Zauberei, magische Wirkung u.f.w. Als Selbsttäuschung abergläubischer und unwissender Leute oder als Betrug erwiesen, und es ist nicht anzunehmen, daß es in Zukunft anders sein wird. Was dem Aberglauben immer neue Nahrung giebt, ist die nicht wegzuleugnende Thatsache, daß unser Leben, sein Ursprung, Ziel und Zweck zu den großen Welträtseln gehört, und daß uns fast jede einzelne Naturerscheinung, die kleinste wie die größte, ihrem inneren Wesen nach ein Geheimnis ist, an dessen Enthüllung die Wissenschaft seit Jhartausenden unausgesetzt arbeitet, ohne bisher das Ziel erreicht zu haben.
Die Erkenntnis darf uns aber nicht dem Aberglauben in die Arme treiben, der leider nur von zu vielen Leuten in gewinnsüchtiger Weise genährt und ausgebeutet wird. Und wenn es ein Zeichen der Einsicht und Bildung ist und dem menschlichen Fortschritt dient, den vielen Wundern der Natur mit täglich neuem Interesse nachzuforschen, so versetzt uns hingegen der Glaube an Spuk und Geisterphotographie intellektuell um viele jahrhunderte in der Kultur zurück und gehört zu jener dunklen Macht, gegen die nicht nur von jeher Philosophie und Wissenschaft, sondern selbst die Götter bekanntlich vergebens kämpfen.