Dieser Artikel ist eine wörtliche, unverfälschte Transkription des Originalartikels aus dem Jahre 1926.
Aus heutiger Sicht ethisch fragwürdige Ausdrucksweisen und Inhalte, sowie variierende Rechtschreibung sind nicht ausgeschlossen, wurden aber zwecks Authentizität nicht zensiert.
Vergleicht man die Geschwindigkeit eines normalen Ruderbootes, die 2-3 km in der Stunde beträgt, mit der Geschwindigkeit eines Rennbootes, das eine Geschwindigkeit von zwanzig Kilometern in der Stunde erreicht, so ist es klar, daß bei diesem nur durch bessere Ausnutzung der Kraft solche Geschwindigkeitsleistungen zu erzielen sind. Das Geheimnis liegt, wie jeder, der Rudersport treibt, weiß, im Rollsitz, der dem Ruderer neben der Armkraft auch noch die Ausnutzung der Beinkraft ermöglicht.
Diese Gedankengänge veranlaßten den Münchener Alfred Curry, ein Landfahrzeug zu konstruieren, dessen Fortbewegung auf der selben Kraftausnutzung beruht, wie das Rennboot. So entstand nach einer Reihe von Versuchen das Curry-Landschiff, das vor einiger Zeit auf der Avus Rennbahn in Berlin vorgeführt werden konnte.
Der Rahmen dieses Fahrzeuges ist aus Aluminium hergestellt und so konstruiert, daß die beste Stabilität gewährleistet wird. Die Räder sind normale Fahrradräder, die in Kugellagern laufen. Die Bereifung ist die gleiche wie beim Fahrrad und deshalb leicht ersetzbar. Der Antrieb erfolgt so, daß man mit einer Handstange an einem Antriebriemen zieht. Der Zug geht auf eine Freilauftrommel, die ihrerseits die Bewegung durch entsprechende Übersetzung auf die Vorderradwelle abgibt. Der Fahrer sitzt dabei auf einem mit Gummi gepolsterten Rollsitz, der das Strecken und Beugen der Beine ermöglicht, sodaß die gesamte Körperkraft zum Antrieb ausgenutzt werden kann. Die Steuerung erfolgt durch verschwenkbare Fußplatten, die durch ein Gestänge mit den Hinterrädern gekoppelt sind.
Mit dem etwa siebenundzwanzig Kilogramm wiegenden Fahrzeug sind Geschwindigkeiten bis zu fünfundvierzig Kilomenter in der Stunde erreichbar. Zweisitzer, die etwas länger und darum in Gewicht schwerer sind, ermöglichen selbstverständlich größere Geschwindigkeit. Durch wechselbare Übersetzungen wird die Überwindung kleiner und kurzer Steigungen erleichtert. Wie der Radfahrer bei großen und langen Steigungen sein Rad schieben muss, so wird der Landschiff Fahrer auf viel bequemere Weise sein leichtes Fahrzeug ziehen. Wenn, bei strenger Beurteilung, demnach das Landschiff in einer ausgesprochen gebirgigen Gegend als wenig in Betracht kommend bezeichnet wird, so steht doch zu erwarten, daß allerlei Konstruktionsverbesserungen und Kräftepotenzierungen die Bergsteigmöglichkeiten wesentlich verbessern werden.
Bisher erreichte man seine Arbeitsstätte mit Fahrrad, Straßenbahn, Untergrundbahn, Vorortzug oder Auto. Man musste genau auf die Fahrpläne achten, hatte Ärger und Umständlichkeiten, wenn man Umstieg oder gar den Zug verpasste - und außerdem Unkosten. In geschlossenen Räumen wurde dann sitzend die Arbeit verrichtet, und die Rückfahrt ging in der gleichen Weise wie die Fahrt zur Arbeitsstätte vor sich. Nur der Radfahrer machte einige Beinbewegungen, war aber von der Kunst des Wetters, vom Zustand der Straße und von der Blüte seines Anzugs abhängig.
Der Besitzer eines Curry-Landschiffs hat nur eine einmalige Ausgabe, spart Zeit, Geld und bleibt von Missständen unbehelligt. Das Landschiff, dass überall leicht untergebracht werden kann, wird auf die Straße gestellt, und nun kann die Fahrt beginnen. Dabei verschafft man sich die allergesündeste Bewegung für den ganzen Körper, während man sich bisher in die überfüllten Verkehrsmittel bewegungslos einzwingen lassen musste. Auf guten Straßen ist der Antrieb des Landschiffs so leicht und wenig anstrengend, daß man, besonders wenn man einige Übung erlangt hat, nicht befürchten braucht, kürzere Strecken schwitzend und unter großen Anstrengungen zurückzulegen.
Sonntags kann man auf diese Weise ohne Fahrtkosten allein oder mit seiner Frau Ausflüge in die Umgebung unternehmen. Das Essen wird in einem Körbchen im Fahrzeug untergebracht, um dann nachher im Freien herrlich zu munden. So wird das Land Schiff bald als das Auto des kleinen Mannes gelten.
Auch als Lieferwagen für Firmen, die keine allzu großen und schweren Lasten zu befördern haben, besonders für den Eildienst, ist die Brauchbarkeit des Landschiffs erwiesen. Der Raum im hinteren Teil der Karosserie ist groß genug, um einen kleinen Koffer oder Pakete unterzubringen.
Die Bedeutung des Landschiffs als Sportfahrzeug darf nicht vergessen werden, denn außer dem Ruderboot wird es kaum ein Sportgerät geben, das besser geeignet wäre, den ganzen Körper zu trainieren. Jeder Ruderer, Leichtathletiker, Faust- und Fußballspieler wird das Landschiff bald als Trainingsmaschine für unentbehrlich halten. Ein neuer Sport wird sich damit einbürgern, und bald werden Landschiffrennen zu den beliebtesten Veranstaltungen zählen, da fast jeder in der Lage ist, sich an derartiges Fahrzeug anzuschaffen.
Das Ausland hat bereits diese Möglichkeiten erkannt; so werden schon für dieses Jahr zwischen den Mannschaften der Oxford und Cambridge Universität Landschiffrennen vorbereitet. Damit werden wir in den Rennbahnen und Stadien eigenartige und spannende Körperwettkämpfe sehen im Gegensatz zu den bisherigen verhältnismäßig toten kämpfen der Maschine.
Als Fahrzeug für Bewegungsbehinderte ist die Erfindung von großer Tragweite. Je nach Art der körperlichen Beschädigung kann die eine oder andere Bewegung ausgeschaltet werden. Der Kriegsbeschädigte beispielsweise ist nun nicht mehr gezwungen, sich im Fußgängertempo mit dem Krankenwagen fortzubewegen, sondern kommt leicht und schnell mit dem Landschiff vom Fleck. Der bekannte Key Rourke Professor Doktor Sauerbruch hat das Fahrzeug nach dieser Richtung hin geprüft und sich mit vollster Anerkennung dafür ausgesprochen.
Auch die Möglichkeit, Arbeitslose in Stellungen als Landschiff-Führer unterzubringen, muss erwähnt werden. Darin liegen, neben den sportlichen, volksgesundheitlichen und volkswirtschaftlichen, die sozialen Vorteile der curryschen Erfindung.
Sicher werden, wie fast immer bei neuen Dingen, von manchen Seitenbeanstandungen und Bedenken dem Landschiff entgegengebracht werden. Die Zeit aber und gesammelte Erfahrungen werden schließlich doch das Fahrzeug zum allgemeinen Verkehrsmittel große Kreise machen, zumal wenn es gelungen ist, durch gediegene Serienfabrikation den jetzt schon erschwinglichen Preis noch mehr herabzusetzen.