Zu Musizieren – oder zu komponieren – ist für mich wie Rätsel lösen, wie eine Schatzsuche. Sie ist schon da, die Melodie, und spielt mit mir Verstecken. Stück für Stück – Note für Note – grabe ich sie aus, aus einer Sanddüne aus Klang und Stille.
Sie spielt mit mir, lässt sich kurz fangen, tanzt mir etwas vor, kokettiert, will mich verführen, und verschwindet wieder um meine Neugierde zu entfachen; sie lockt mich und ich will sie entdecken.
Sie will gefunden werden – sie versucht nicht mir zu entwischen, sie fordert mich nur heraus und ist genau so verliebt in mich wie ich in sie. Wir haben schon immer zusammen gehört und sie war schon immer da – irgendwo in den Untiefen ruhend. Und jetzt ist sie an der Reihe – ich finde sie, umarme sie und verneige mich vor ihr.
Mit jemandem zusammen zu spielen, zu musizieren, ist etwas sehr Intimes. Man lernt sich kennen, Ton für Ton, ein stetiges Öffnen, und begibt sich auf die Suche nach der gemeinsam schwingenden Identität. Ein lustvolles, zartes Herantasten an die Essenz des kollektiven Moments, der einen für immer verbindet – denn er wird unsterblich, obwohl der Klang verweht, im nächsten Augenblick.
Sie heilt mich, die Musik. Sie lehrt mich Bescheidenheit und Mut, Aufmerksamkeit und Bedachtheit, Konzentration und Präzision, Lauschen und Kreieren, nach innen horchen und Erforschen, Entspannung und Raumgebung.
Sie ist für mich ein Tor zur Welt und zu mir selbst. Durch sie kann ich meine Welt vermitteln und der Welt Raum schenken, sich in ihr zu finden, wieder zu erkennen.
Sie schenkt mir Trost und macht es mir möglich, mein unaussprechliches Inneres nach außen zu tragen, ihm zu danken und es loszulassen.
Gleichzeitig durchdringt mich der Schall wie nichts sonst und reinigt jede Zelle und jeden Spalt dazwischen von Missmut, Furcht und Fixierungen.
Und mein Organismus hat die Chance sich neu zu gesinnen, zu entscheiden, sich selbst neu zu erfinden und zu begeistern.
Sie begeistert mich und ist begeistert von sich selbst.
Es gibt keine Lügen in der Musik. Sie sagt immer die Wahrheit. Sie spricht für sich und ist sich treu – egal in welcher Form sie sich zeigt.
Ehrlich und würdevoll bringt sie die Luft zum Schwingen und bewegt die Welt. Widerspiegelt den Geist der Zeit.
Sie ist auch anspruchsvoll und will in ihrer ganzen Pracht und der Schönheit jedes Details gespielt werden. Und so motiviert sie mich weiter zu lernen, Möglichkeiten am Instrument zu entdecken, Klänge zu erforschen, zu üben, an ihr zu arbeiten, Zeit und Energie zu investieren.
Denn die Musik will sich ganz entfalten – mein Puls, das was mich zum Schwingen bringt, der Soundtrack zu meinem Lebensfilm.
Würde ich versuchen Zeit zu verstehen
müsste ich dazu fähig sein
seine Bestandteile,
die Unendlichkeit und den Moment,
zu verstehen
Wenn ich das versuche
explodiert mein Gehirn
und implodiert mein Atem
denn die Unendlichkeit ist zu groß
und sprengt meine irdischen Grenzen
und der Moment ist zu winzig
wenn ich versuche ihn zu erhaschen
zu definieren
wird er so dermaßen klein
daß mir der Atem einfriert.
Um also zu überleben
sehe ich einstweilen ein
daß man nichts zur Gänze verstehen kann
daß all das Verstehen-wollen ein maximal amüsanter und beweglicher Teil
einer phänomen-reichen Symphonie ist
und die Zeit eine zauberhafte Illusion
die mir erlaubt
einen Ton auf den anderen
und eine Szene auf die andere
folgen zu lassen.